22. Auslands-Ausbildungsreise
"SSS Gorch Fock"

vom 30. Juni bis 19. September 1966
Logbuch des Matrosen BOA Christian von Hennig
"Island Reise"
Hallo Krischan, entscheide Du: Kette oder Flaggenleiste zur Kapitel-Unterteilung!
Mir persönlich gefällt Flaggenleiste besser!

Donnerstag, den 30.06.1966 - Reisetag, Glückstadt, Kiel

In Glückstadt "steigen" wir um 0130 Uhr alarmmäßig aus der Falle. Gegen 0600 Uhr rollten wir uns verfilzt mit verhängten Klüsen aus dem Zug. Das erwartete Gebrüll der - aus wilden Storys gefürchteten - Maate: "Kommt raus ihr Feiglinge!" blieb aus.

In Bussen fuhren wir raus zur Blücherbrücke, standen mit unseren "Bukos" in der Hand und warteten der Dinge, die da kommen sollten. Die Sonne stand hell am Firmament über den unteren Rahen des stolzen Windjammers, den ich schon mehrmals aus der Nähe betrachtet hatte.

Gegen 0700 Uhr ging's los! Eh ich mich versah, steckte ich in der 2. Division/12. Korporalschaft. Der Einteilung schloss sich die Zeugausgabe an. Mehr den Hühneraugen folgend als den Augen, tapperte ich den andern nach.

Ebenso "kernig" wie das erste Hängemattenzurren auf der Pier war das erste Frühstück unter Deck in unserem neuen Wohnsalon. Beim ersten Rundgang stellte sich heraus wo vorn und achtern ist.

Die Kenntnisse - die Einrichtungen des Schiffs betreffend - wurden beim Reinschiff von 1730 Uhr bis 2030 Uhr Flunder erweitert; der erste Fluch glitt reibungslos über die Lippen: "Ach - Du - Scheiße! So viele Tampen!"Gegen 2100 Uhr: Das erste Singen war so röhrig wie das Gekläff von Whiskey, der glaube ich, der einzige an Bord ist, der niemandem gehorcht. Das Gekläff war auch seine erste Begrüßung. Und der Abend endete mit Gekläff, denn beim Hängemattswalzer beginnt, so sagt man, Whiskey stets seine Stimme zu erheben.

Zum Abschluss des Abends versuchten wir unsere Hängematten in unserem engen Mitteldeck irgendwo festzubändseln.


Dabei wurden einige der überall berühmten Hängematten unfreiwillig vergewaltigt: Köpfe steckten zwischen Tampen; Decken fielen aus den Matten; Knoten gingen einfach auf - Gelächter - Flüche.

Ein kerniges Gefühl ist es die Hängematte überlistet zu haben. Jungen sprangen und hüpften nach der Matte. In der Hängematte ruht man wie in Abrahams Schoß.

0238 Uhr Meine Decke fiel runter aufs Deck; ich rollte aus der Miefrolle, stieß mir den Wirsing an der unter der Decke aufgehängten Back; ich fluchte deshalb fürchterlich; Kameraden wachten auf. Am Stert bekam ich Starthilfe in Form eines Fußtrittes und landete in der Rolle, wo ich sofort weiterröchelte.

Freitag, den 01.07.1966 - Kiel, Blücherbrücke

Gegen 0550 Uhr - 10 Min. Irgendeiner wachte vorher auf. 10 Min. vor dem ....... steigen wir aus der Rolle. Das Mattenzurren ging schon schneller als am Vortag. Als ich meine Matte fast fertig hatte, fehlte der Schlafanzug. Andere Matten lagen im Weg - Whoohling!

In Turnhose krabbelten wir an Deck zur Hängemattenmusterung; die freien Heldenbrüste zeigten sich an Deck. "Ihr seid wie die schwangeren Austern! Viel zu langsam! Das war noch gar nichts!" Wieder runter! und - rauf!

Dass man sich mit freiem Oberkörper und in einem Schüsselchen halb voll Wasser wäscht ist bekannt.

Mit einem kernigen Frühstück stärkten wir uns fürs Reinschiff. Da wir noch keine feste Station haben, schossen wir uns am Fallreep auf.

Der Unterricht über die 10 Befehle machte mir dergestalt Schwierigkeiten, weil mir die Augen zu zufallen drohten. 10 Befehle stehen in einem dicken Heft...
Der Unterricht über den "Inneren Dienst", die Hygiene betreffend, riss alles wieder raus. Bootsmann Lehmann brachte die tollsten Sprüche. Unvergesslich sollten die "Wohnhose mit dem langsam phosphorizierenden Fleck", die "Strümpfe, aus denen der vom Fußpilz zerfressene Zeh rieselt....", bleiben.

Nach dem Mittagessen musste ich wieder als Backschafter backen, backen........

Auf der Pier wurde gewaschen....., die Brühe ging in den Bach. Und es kam mir blitzartig der Gedanke, dass mir die Backschaft nach einer Woche zum Hals heraushängen wird.

Gegen 1400 h ereignete sich etwas Großartiges: wir enterten zum ersten Mal - wir versuchten es! Wie die "gichtkranken Eichhörnchen" stiegen wir auf und ab. Als wir dann alle auf den Salings standen, landeten Hacken auf den Köpfen der Untermänner und Hände wurden beklemmt - kernig! -

Der Zahnarzt stocherte uns danach im Pferdegebiss; er fand "seine" Löcher.

Am Vormittag waren unsere Seesäcke eingerollt. Alle Mann stellten das Ding auf den Kopf. Ein Whooling von Klamotten lag auf dem Deck. Da der Spind, entsprechend dem Wohnraum, klein ist, gabs ein wildes Gestau. Wohl dem, der weiß wo was liegt!!!

Bei klarem Abendhimmel setzten wir uns im "Gorch-Fock-Lehrsitz" auf die Hütte. Unterricht: Segelbelehrung durch Lt. z. S. Wagenknecht. Der "Gorch-Fock-Lehrsitz" ist mit dem Stert an Deck, die Knie angezogen. Der Sitz ist in sofern nicht angenehm, da man "Schwielen" am Hintern bekommt.

Reinschiff machten wir diesmal auf der Pier. Die am Vortag erkämpften Hängemattenplätze behielt jeder bei. Fast wie uralte Seebären bändselten wir die Miefrollen fest.

...Nur wollte die Matte beim Einsteigen nicht so wie ich gern wollte...und ich schlief fest ein!

Samstag/Sonntag, den 02./03.07.1966, Kiel, Blücherbrücke

Um 0650 Uhr drängte es die 12. Korporalschaft wieder überfrüh aus den Miefrollen. Das Zusammenzurren geht ja schon so fix.
Die Backschafter tischten uns ein ausgezeichnetes Frühstück auf. Hervorzuheben ist das weiche Ei und der Kaffee, durch den man eine Kaffeebohne geschossen oder aber bestimmt daran vorbei getragen hat. Samt dem Weißbrot war das Frühstück ein Gedicht.

Die Toiletten auf der Pier waren wieder der Ort unseres Reinschiffabschnittes. Den Belag auf dem Messing vernichten wir vollständig.

Ein schöner, sonniger Sonntag an Bord im Hafen ist toll; doch noch schöner wäre so ein Sonntag an Land. Um mich für die kommenden Landgänge zu präparieren, machte ich Zeugdienst: Schuhe putzen, Zeug ausbürsten; ein Bügeleisen war natürlich nicht aufzutreiben: - Gleichstrom!!!!

Das Mittagessen ließ nichts zu wünschen übrig. Rumpsteak, Kartoffeln, Salat.... Da röchele ich nur: "dufte!"

Den Nachmittag füllte ich mit lesen, Tampenkunde und s........ schlafen aus. - Zum Abend wurde das Schiff noch einmal aufgeklart. Und dann sang sich die Mannschaft wieder in die Hängematten mit dem "Gorch-Fock"-Lied, "Kameraden wir haben die Welt gesehen", "What shall we do with the drunken sailor", "17 Mann auf des toten Manns Kiste" und in "Johnnys Kneipe".

Unter Deck wurde es erst spät ruhig.....

Montag, den 04.07.1966, Kiel, Blücherbrücke

0545 Uhr Verfrüht rollten wir aus der Miefrolle; auf den Pfiff wartend, saßen wir auf der Rolle; ich filzte fast wieder ein. Die "haarige Männerbrust" stieg heute in einen diesigen, regnerischen Morgen. Das Waschen an Deck war sehr erfrischend. Nach dem Essen bekamen wir eine Sonderreinschiffaufgabe; wir brachten das alte Fallreep in den Stützpunkt.

0915 Uhr kam der Kommandant an Schiff; eine Palaverkiste wurde aufgestellt...mit rotem Teppich! Und er palaverte über Schiff, Reise und Mannschaft.

1030 Uhr steigen wir nach einer Sicherheits-Belehrung über die Segelbedienung in den Top."E-e-e-e-ntert auf!!!" - Großes Whooling an der Püttingswanten - "Filzpause". Langsam enterten wir auf zur Obermarsrah.

"Wahrschau Fußpferd!" Wir standen auf den Fußpferden über die Rah gelehnt. Beängstigend klein waren die Männchen an Deck schon. Schön war der Blick auf die Kieler Förde!!

Kommando von unten: "Legt aus!!" Wir rutschten an die Nock und piekten uns mit dem Lifebändsel am Jackstag ein. Dann machten wir Freiübungen: Hände hinter den Kopf, aufrecht stehen, über die Rah weit vorgebeugt, aufrecht stehen, über die Rah weit vorgebeugt, in die Hände klatschen. Die Sicherheit wuchs enorm.

"Legt ein!" - "Entert nieder!" Wieder auf Deck entrang uns der Blick nach oben ein: "Doll!"

1330 h nach dem Reinschiff enterten wir wieder auf die Obermarsrah und übten Ein- und Auslegen. Leicht in Schweiß geraten, schossen wir auf - nicht uns, sondern einen Haufen Tampen.

Obermaat Thiem weihte uns in die Tücken des Großbramfalls ein und zeigte uns wie man das Großsegel brasst. Als kleine sportliche Einlage "turnten" wir auf zum Royal. Nach oben wurde es immer langsamer. Die Höhe flößte einem Respekt ein. Verdammt noch mal!!! Ganz anders als auf der Obermarsrah.

Nach der Pause enterten wir noch mal auf die Bramrah; kein Zuckerlecken da oben!

Bei der Erinnerung an die Tampensuchspiele werde ich später wahrscheinlich mit Schmunzeln zurück denken; zurzeit aber stehe ich wie vor einem Wald in dem sich nur manchmal eine Lichtung auftut.

Ein kräftiges Mundbrot mit Kartoffelsalat - 3 Teller voll - Würstchen und Leberwurstbroten war redlich verdient. Ich ratzte wie ein Murmeltier.
Dienstag, den 05.07.1966, Kiel, Blücherbrücke

0555 Uhr Rollte ich so gerade richtig aus der Rolle. Ohne Pause ging es rauf zur Hängemattenmusterung. Das Waschen in der Pfütze und die Freiluft - fühl - Rasur sind ein reiner Genuss. Es ist kein Mensch, der das nicht mitgemacht hat.

Als Reinschiffstation bekam ich diesmal einen Posten auf der Hütte. - Messing putzen. Über das Messing fluchte ich; warum muss man denn auch soviel Messing auf dem Schiff anbringen! Kaum hat man nämlich dem Ding den Rücken zugedreht, schon war es wieder beschlagen. Musterung! - Rein in ein schneeweißes Takelpäckchen......raus aus dem schneeweißen Takelpäckchen.

Im Teerpäckchen traten wir 0930 h mit Lifebändsel zur Topseinteilung auf der Pier an.Für die Royalsegel meldete ich mich nicht; es war mir einerseits zu hoch, andererseits wäre ich auch gar nicht rauf gekommen, da ich zu groß erschien. So landete ich auf der Obermarsrah des Großtops; ganz wie ich es mir wünschte. Jeder bekam einen festen Platz auf der Rah. Die neue Ordnung führten wir zweimal durch. Es war wieder toll auf den Fußpferden zu stehen und voraus zu sehen. Nur mein Bein ist etwas lädiert worden durch die Weblinens. (Weblinen - Verbindungstaue zwischen den Wanten). Sind gut, weil sie einen halten; steigt man aber daneben so fällt man durch und schrabbt sich das Bein. Wenn man das mehrere Male macht, tut es etwas weh und etwas Blut trocknet an der Luft.

1130 Uhr Ausscheiden mit Dienst; bis die Backschafter aufgebackt hatten, - eine Unendlichkeit - war es schon 1200 Uhr. Aber was lange währt, wird endlich gut! Es schmeckt gut!! Schweinefleisch, Salat, Kartoffeln und als Nachspeise Quark.

Nach dem Essen nahm ich zum ersten Mal meine feste Reinschiffstation wahr. Es ist die Kammer des Stabsarztes. Ich klopfte an, trat ein und meldete mich. Der Arzt röchelte und stieß folgende Töne von sich: "Bei mir wirdMittags kein Reinschiff gemacht." Die feste Reinschiffverteilung war am Vormittag.

Den ganzen Nachmittag übten wir "Segel los und ein!" Das geht etwa so: Die Topgasten stehen Steuerbord und Backbord klar zum Manöver in Reihe und Glied. Es folgt die Vollzähligkeitsmeldung; der erste brüllt (besser: singt) "Steu..er booord!". Der Segelleutnant legt los: "Groß-Top!" Worauf wir still stehen nach Gorch - Fock - Art: In leichter Grätschstellung, Hände auf dem Rücken, Brust, soweit vorhanden, raus.

"Zum Segel los - Topgasten entert auf", das ist das nächste Kommando. Zwei Jungen flitzen hoch. "Tauwerk nieder!" Eingeteilte Spezialisten legen das Tauwerk am Mastgarten und an der Nagelbank nieder. "Oberrahgasten - entert auf!" Backbord und Steuerbord jagen je 8 Jungs hoch; sie haben die Royal- und Bramrah zu besetzen. "Entert auf!" Die Obermars - Untermars - und Großrah werden besetzt. Die Zeisinge werden los geworfen; auf Kommando wird das Segel über die Rah geworfen. Und dann wird sofort abgeentert. Zum Segel einholen wird aufgeentert wie gehabt. Dann legt man sich über die Rah und zieht eine Brok des Segels nach der anderen auf die Rah. In die letzte Brok - besonders groß - stopft man das ganze Segel, holt es über und bändselt es mit den Zeisingen fest.

Zum Abendbrot war ich wieder so hungrig, dass ich mich voll wie eine Strandhaubitze schlug. Meine Ohren vernahmen noch die Arie "Ein jeder kennt die Lieb' auf Erden", dann rollte ich mich auf die Seite und schlief ein.

Zu bemerken wäre noch, dass das allabendliche Singen sehr schwach war, an diesem Abend. Die Callas alias Matr. OA Michael Warnick nahm die Sache nicht so richtig in die Hand. Der straffe Zug eines Offiziers fehlte - "Riesen" - Palaver!
Mittwoch, den 06.07.1966, Kiel, Blücherbrücke


0605 Uhr Heute stand Obermaat Thiem mit scharfem Auge und einem Block in der Hand am Schot, um die Hängematten zu mustern.

0800 Uhr Nach dem Essen nahm ich zum ersten Mal meine Reinschiffstation wahr; zum ersten Mal, weil in der Kammer des Stabsarztes mittags und abends nicht aufgeklart wird. Eine Kammerstation gehört........ zu den ruhigen Plätzen im Schiff.
0915 Uhr Das ewige Umziehen vom Teerpäckchen in ein Schneeweißes fängt so langsam an zu stinken, weil dabei das Schneeweiße so langsam grau wird; dieser Umstand nur für die Musterung!?!?

Um 1700 Uhr war erster Landgang für die Mannschaft angesagt.


Bis 1030 Uhr machten wir Segelexerzieren. "Alle Segel los!" - "Alle Segel ein!" Das Ganze zweimal!

Dann stolperten wir auf die Pier um von LtzS Wagenknecht etwas über Bordförmlichkeiten zu erfahren. Von jetzt ab sollen wir wissen, was man bei der Flaggenparade macht, wann Front gepfiffen wird und wie. Wir wissen nun was "Seite" ist. (Gruß der Besatzung an einen an Bord kommenden Offizier).

1100 Uhr bis 1130 Uhr "Entert auf! - williger, williger... williger.... williger". So langsam geht das Segel fallen und bergen auf Zeit. Es macht dollen Spaß auf die Rah hinaus zu turnen. In der Zeit schafften wir das Manöver knapp zwei Mal.

1131 Uhr Ausscheiden mit Dienst - Mittagessen 1400 Uhr Heute setzten wir zum ersten Male die Segel ganz. - Die Topsrahgasten enterten auf, das Tauwerk wurde niedergelegt; die Oberrahgasten enterten auf; die Rahgasten enterten auf; auf der Rah wurde ausgelegt. Die Topsegel fielen; alle Rahgasten legten ein und enterten nieder; Schoten wurden dicht geholt auf Kommando; die (Bild wie Bramfall vorgehisst wird) Obermars - Brahm - und Royalfallen wurden vorgehisst; alle Geitaue und Gordings wurden los geschmissen bevor die Schoten dicht geholt wurden. Das Ergebnis: ein großes Whoohling von Tampen an Deck. Alle Tampen wurden aufgeschossen. Dann war alles fertig um die Segel wieder zu bergen. - Eine Sisyphusarbeit! (fast; im Augenblick so erscheinend). Geitaue wurden dicht geholt, während die Schoten los geworfen wurden; Gordings wurden festgesetzt; die Fallen wurden aufgefiert. Dann konnten wir wieder hoch klettern, um das Segel auf die Rah fest zu holen. Die ganzen Manöver fuhren wir zweimal durch. Das reichte aber auch für den Tag.

Um 1700 Uhr war erster Landgang für die Mannschaft. Ich blieb aber an Bord; das Schiff lag still wie ein Totenschiff, richtig sinnig konnte man an Deck sitzen. Die Abendsonne schien kernig; der Abendwind blies kräftig von Land her.

Donnerstag, den 07.07.1966, Kiel, Blücherbrücke

0605 Uhr Die Hängemattenmusterung war heute geschenkt, dafür machte der Oberstabsarzt eine Reinlichkeitsuntersuchung der 2. Division - fiel scharf aus; nach dem Motto: "Waschen, Fußpilz und Schwarzfuß".

Da mein Schienbein aufgeschlagen war, (ich bin zu oft durch die Weblinen getreten) suchte ich den Arzt auf. Die Folge: eine dicke Binde am Bein und ein Spritzenstich in den Hintern.

0930 Uhr Nach dem Reinschiff exerzierten wir wieder "Segel setzen", "Segel bergen". Der Kommentar der Segeloffiziere zu unserem Gekletter und Geziehe: "Viel zu langsam! Euch ist der Landgang wohl nicht bekommen!" Zur Übung ging es deshalb noch mal extra rauf und runter.

1330 Uhr Wir fuhren die Segelkommandos noch einmal alle durch. Dann gingen wir an die Brassen; da dieser Casus für die Meisten Neuland war, gab's noch eine kleine Belehrung über die Brassen; Brassen = verstellen der Rah um den Mast in der Horizontalen. Wir brassten die drei Unterrahen immer rund um den Mast. Von Backbord nach Steuerbord und zurück.

Als es endlich 1630 Uhr war, hatten wir wieder ein Abendbrot verdient. Es fiel auch kernig aus! Am Nachmittag brieste es stark auf; der Himmel war klar und der Wind pfiff sein Lied in der Takelage, wenn auch nur in bestimmtem Moll.

2030 Uhr bis 2100 Uhr sang die ganze Mannschaft "mehrstimmig", - ein schwaches, musisches Bild, aber kernig laut! Bevor ich mich in meine Koje schwang, verlegte ich mich auf eine Tafel Schokolade und Obst.

Freitag, den 08.07.1966, Kiel, Blücherbrücke

0555 Uhr Raise, raise... aufstehen!

Während des Reinschiff wurde mein Bein vom Stabsarzt verbunden; mal eine andere Art von Reinschiff. Vom Vormittag und Nachmittag kann ich nur ein Lied vom Segelexerzieren singen; es wurde alles durch gemacht: Segel setzen - Segel fest, Wenden - Halsen; von hart Steuerbord bis hart Backbord!

Der Schweiß floss in Strömen und die Hände zeigten Ansatz Vierkant - Pfoten zu werden. Der Eindruck, den wir machten, war von "mäßig" bis "befriedigend". Zum Schluss wurde für das Manöver "Segel Los" eine Zeit von 7 Minuten gestoppt, was schon ganz annehmbar ist.

2030 Uhr Der "Gesang" nach dem Abendreinschiff wird immer schlechter; diesmal wurden wir sogar vorzeitig unter Deck geschickt!

Samstag, den 09.07.1966, Kiel, Blücherbrücke

0555 Uhr Schon während des Aufstehens lastete das Vergnügen, nach der Samstagroutine drei Stunden Reinschiff machen zu dürfen, auf der ganzen Korporalschaft.

0730 Uhr Frisch gestärkt ging's in die Reinlichkeitsschlacht. Frisch und munter stürzte ich mich in das Zimmer des Stabsarztes. Es würde alles sauber; wischen, wischen....wischen....und außerdem habe ich etwas über Astronomie und über den Humor dazu gelernt. Auf dem Deck über meinem Kopf wurde wild gespült und geschrubbt.

1100 Uhr Der Wochenendurlaub war da, nur wir, die 12. Korporalschaft, musste als Bereitschaftsgruppe an Bord bleiben. Der Tag wurde ein richtiger Gammeltag. Mit Briefe schreiben, malen und lesen füllten sich die Stunden.

Abends hatte unsere Gruppe Kartoffeln für den Sonntag zu schälen und zwar einen Eimer voll, der für alle reichen sollte

Sonntag, den 10.07.1966, Kiel, Blücherbrücke

0655 Uhr Sonntagroutine.

Am Samstag hatte ich abends Familie Stein bei ihrem Boot an der Pier getroffen. Wir verabredeten uns zum Segeln.

Um 0920 Uhr war das Reinschiff zu ende. Darauf begann ich meine Uniform zu bürsten und zu bügeln. Die Fliege wurde astrein gestärkt.

1200 Uhr Mittagessen

Um Punkt 1300 Uhr war die erste Urlaubermusterung; sie fiel messerscharf aus. Mein Herz ging schnell als der Maat vor mir stand; die vor mir in der Reihe standen, wurden unter Deck geschickt: nächste Musterung 1400 Uhr ...und ich kam durch!

Steins waren schon auf dem Boot als ich kam. Wir segelten nach Möltenort und die Tirpitzmole. Es war himmlisches Wetter. In Badehose lag ich auf Deck. Um 1900 Uhr Bei Steins; es gab Bierchen und Brot für hungrige Seefahrer. Dann spielten wir einen kleinen, temperamentvollen Skat. Clock 2300 Uhr stand ich wieder auf denSchiffsplanken.

Montag, den 11.07.1966, Kiel, Blücherbrücke

0605 Uhr Es begann damit, dass der Himmel diesig, regnerisch verhangen war, als wir mit unserer Hängematte an Oberdeck trabten. Ganz mies war's; ganz mies wurde der Tag - so richtig, um im Federbett weiterzuschlafen. Nach dem Reinschiff wurde offiziell bekannt, was schon als Gerücht umging: wir fahren im Paradegeschirr vor dem dänischen König. Das sieht so aus >>>

Zur Probe fuhren wir die Sache einmal durch. Regen klatschte aufs Takelpäckchen; triefend standen wir auf den Rahen, ein majestätisches Bild! - Für den Rest vom Vormittag verzogen wir uns unter Deck zum Unterricht. Ein Maat erzählt uns, was wir bei der Segelwache auf See alles zu tun haben:
I. Posten stehen
a) Posten Ausguck e) Posten Läufer-Deck
b) Posten Rettungsboje f) Posten Kajüte
c) Posten Rudergänger g) Posten Maschinentelegraph
d) Posten Signalgast  
II. Bei "Boje - über - Bord" muss ein Kuttermann bereit stehen um den Kutter zu pullen.
III. Eine Fiermannschaft gehört auch zur Segelwache, die den Kutter zu Wasser lassen muss

1330 Uhr Es hörte immer noch nicht zu regnen auf, deshalb erhielten wir Unterricht von Lt.z.S. Wagenknecht über Wenden, Halsen und Boje, Mann-Über-Bord-Manöver. Er erklärte uns, welche Segel man bedient zu den Manövern, wie und warum und welche Tampen man bedienen muss.
1500 Uhr Was wir über die Kutterbedienung theoretisch durchgesprochen hatten, gingen wir jetzt praktisch durch. In Ölzeug zogen wir auf; im Kutter kam ich auf die erste Arbeitsducht. Einen tonnenschweren Kutter zu Wasser zu lassen ist gar nicht leicht, besonders wenn die See bewegt ist.

Zum Abendessen habe ich Ersatzbackschaft und dafür habe ich ganz unvermittelt einen Tafel Schokolade geschenkt bekommen! Wahnsinnig nett!!

Der größere Teil der Korporalschaft ist an Land ausgeflogen. Ab heute ist frei Landgang nach Dienstschluss. Die Stimmung ist dem Wetter gemäß, müde...

Der Stimmung zu entfliehen, ging ich 1930 Uhr an Land. In einer Kneipe - in Kiel ist ja nicht viel los - traf man sich wieder beim Bierchen.

Dienstag, den 12.07.1966, Kiel, Blücherbrücke

0915 Uhr Unser Dienst begann nach der Morgenmusterung mit den langsam bekannten Segelmanövern. Da es sehr windig war und es in der Takelage pfiff, konnten wir die oberen Segel nicht setzen. Am laufendem Bande wurde gebrasst und aufgegeit. Mit der Verheißung, dass wir die ganzen Manöver am Nachmittag durchfahren werden, wurden wir um 1130 Uhr zum Essen entlassen.

Bei der Mittagsmusterung wurde eine Racekuttermannschaft ausgesucht; ich meldete mich dafür.

1330 Uhr Wie angekündigt, fuhren wir nur mit der Backbord II, Segelmanöver. Man musste sich doll beeilen; es machte großen Spaß!

1445 Uhr Stellten wir uns auf der Pier auf, zum Unterricht .... - ruhig und witzig. Vor Dienstschluß machten wir noch die Segel fest. Dann zog ich mich schnell um, um in der Stadt einzukaufen. Bei der Gelegenheit genehmigte ich mir ein bis...und ein paar Bierchen...!

Mittwoch, den 13.07.1966, Kiel, Blücherbrücke


0730 Uhr Für mich fiel heute das Reinschiff aus. Der Racekutter sollte proben; es regnete eklig; die Pullerei war mies, sehr mies - wie bei Anfängern! Vor dem Dienst fiel noch etwas alltägliches aus: das Kartoffel schälen. Dafür sei eine Gedenkminute eingelegt, das diese Beschäftigung so beliebt ist!

0930 Uhr Den ganzen Vormittag beschäftigten wir uns mit den Bord - (Rettungs) kuttern; diesmal machten wir sie richtig seeklar; die Spannschrauben wurden abgenommen, die Halterungsgurte abgeschlagen und Hand über Hand aufgefiert.

Wir als Kuttermannschaft, saßen im Kutter wie im Lift. Als wir im Wasser lagen, wurde der Kutter aufgelaufen; alle Hände mussten auf Deck, um zu ziehen. Man kann sich kaum vorstellen, dass ein Kutter - so klein - so schwer ist. Anschließend erklärte uns Obermaat Thiem einige seemännische Begriffe. Was ist ein Klögel, Lögel, Glogel,....eine Maus...., ein Spill, Wachtmeister, Polizist, Speigatt, Gettjes,....?

Heute haben wir zu allem Überfluss auch noch Wache; von 1130 h - 1230 h stand ich auf dem Posten Achterschiff mit der Aufgabe vorbeifahrenden Schiffen den Flaggengruß zu erweisen bzw. zu erwiedern. In der Nacht werde ich noch zweimal Wache schieben.

Als Generalprobe war das Segelexerzieren unter der Leitung des IO. (am Nachmittag) gedacht. Morgen werden wir nämlich einmal kurz auslaufen. Es war wieder so steifer Wind, daß wir nicht alle Segel setzen konnten.

Gegen 1500 h wurde Zeugdienst ausgepfiffen. Eine ruhige Kugel. Jedes Ding hat so seinen Haken.....und das Kartoffel schälen auch. Es fiel für heute eben nicht aus sondern fand in der Form von Kartoffel pellen statt. Es lebe der Tag, an dem keine Kartoffeln geschält werden müssen.

Donnerstag, den 14.07.1966, Kiel, Blücherbrücke, Kieler Förde

Gegen 0900 Uhr wurden die Leinen los geworfen zu einer Probefahrt. Mit beiden Wachen wurden die Segel vorgeheißt; der Wind wehte aus der Förde heraus. Das Schiff machte gute Fahrt unter den Segeln. Die Regenböen machten die ersten Minuten unserer Fahrt unangenehm. Vor Laboe machte die Mannschaft Front vor dem Ehrenmal. Die Mannschaft stand in gelbem Ölzeug - wie die Zitronen - an Deck.

1120 Uhr wurde die Backbordwache unter Deck, zum Essen geschickt. Der Windjammer lag gekrängt, doch macht das Essen noch keine Schwierigkeit.

Um 1300 Uhr "lockte" uns ein Pfiff aus der Bootsmannspfeife an Deck. Unsere Korporalschaft musste als Wache aufziehen; wobei ich den Posten Achterdeck bekam.

Bis 1600 Uhr stand ich am Heck und sah mit einem Glas nach Schiffen aus. Die Anderen fuhren Wenden und Halsen; mit einer Peilscheibe konnte man zwar den jeweiligen Kurs gut verfolgen, aber wo wir uns befanden, zur Zeit, fand ich nicht heraus. Schade, das man nicht so einfach ins Kartenhaus kann. - Schwere Schauer gingen nieder.

Gegen 1600 Uhr kam Laboe wieder in Sicht. Die steifen, nassen Segel wurden festgemacht. Gegenüber dem Ehrenmal ankerten wir; der Kommandeur des Tenders "Donau" - bei uns an Bord - wurde von einer Barkasse abgeholt.

1615 Uhr "Backen und Banken"! Unter Deck fand eine Essenschlacht statt; es gab Kartoffelsalat und Würstchen. Satt und voll gefressen musste ich auch noch Reinschiff machen.

Dann wurden bis zur "Vergasung" Kuttermanöver gefahren. Die Kutter wurden geslippt, zu Wasser gefiert, einmal um das Schiff gepullt und mit dem Kutterläufer aufgeholt.

2100 Uhr wurde das Schiff wieder seeklar gemacht; es "schauerte" wieder; in Ölzeug setzten wir die Segel. Steuerbord ging Wache. Backbord: "Klar bei Hängematten."

Freitag, den 15.07.1966, Kieler Förde, Kiel, Blücherbrücke

Um 2400 Uhr ging der Zirkus wieder los! Stockdunkel war's, als wir an Deck schlichen. Ich fand meinen Platz wo wir antreten sollten, - wir standen als Kuttermannschaft an einem besonderen Platz, - nicht gleich. "Steuerbordwache unter Deck - weg!"
Die Backbordwache stand allein, klar zum Manöver. Zuerst bargen wir die Bramsegel. Der Wind blies die Segel (aufgeholt) zu Windsäcken auf und das Tuch war steif. Danach zurrten wir das Großsegel auf die Rah; das war eine Sauarbeit;fast hätten wir den Vogel nicht rauf bekommen. - Die "schönen" Marzipanhändchen werden langsam zu Haken. - Die Obermars bargen wir schon wesentlich flüssiger. Der Blick bei Nacht auf das Schiff aus den Rahen ist phantastisch...

Zuletzt bargen wir noch die Untermarsen; Laboe war wieder in Sicht; der Maschinentelegraph stellte auf "Fahrt voraus" - der Jockel sprang an. Das war der Moment, zu dem wir unter Deck in die Hängematten geschickt wurden. Es wurde festgemacht.

Um 0600 Uhr begann die Hafenroutine. Man verschonte uns vor...vor der Arbeit des Lastenstauens; statt dessen machten wir Zeugdienst.

1330 Uhr Zeugdienst.....Zeugdienst und dann Zeugdienst und dann noch mal. Die erste Geige wurde ordentlich "schniefelig" gemacht.

Um 1630 Uhr bin ich gleich an Land enteilt, um einzukaufen.

Samstag, den 16.07.1966, Kiel, Blücherbrücke, Kieler Förde

Samstagroutine

0730 Uhr Drei Stunden Reinschiff standen uns bevor. Der Zufall wollte es, dass die Kammer des Stabsarztes abgeschlossen war. So kam ich dann dazu eine "Herkules" (Festmacheleine) mit zu präparieren, d. h. ein Auge herein zuschlagen und den Spleiß zu "bekleecken". Der Casus war - gut bemessen - um 1100 h vorbei.

Das Reinschiff wurde abgepfiffen; wir standen klar zur Abnahme.

1150 Uhr wurden wir entlassen; wie ein heißer Kessel kochte ich; in "Null Komma nix" war ich umgezogen und reisefertig. Und dann wurde bei der Urlaubskartenausgabe die 1. Division vorgezogen. Die Zeit lief;um 1224 Uhr sollte der Zug fahren; 1205 h setzte ich den Fuß an Land; die Flagge hatte ich nicht gegrüßt, musste zurück, es nachholen. Und dann standen an der Pier keine Taxen. "Ausscheiden mit Urlaub"!

Ein Blauer Junge rief: "Wer will mit!" Im Auto sausten wir zum Bahnhof. Noch 9 Minuten Zeit. Nach dem Antrag musste ich eine Arbeiterrückfahrkarte lösen, hatte aber nur Geld für eine einfache Karte. Einen Haufen Jungs lief ich an; keiner hatte Geld für mich.

1220 Uhr endlich....! Hatte ich 20,- DM in der Hand.

1223 Uhr saß ich im Zug...nach Hause...Bei Hubertus...!

Sonntag, den 17.07.1966, Rössing, zu Hause

Mietze war zu Hause............
Abends - Kiel; im Auto; gemütliches Beisammen.

Montag, den 18.07.1966, Kiel, Bücherbrücke
Der ruhigste Tag aller Tage. Nur Zeugdienst. Mittags kam Mama an Bord. Am Abend fuhren wir nach Laboe und machten einen netten Spaziergang.



Dienstag, den 19.07.1966, Kiel, Blücherbrücke, heute: Endlich Leinen los!

0530 Uhr Wecken zum Tag der Abreise!

Das Zurren der Matte und das Reinschiff liefen freudiger und williger von der Hand. Um 0900 h durften wir noch mal zur Verabschiedung an die Pier. Mama stand schon da. In einer dreiviertel Stunde wurden wir alle an Bord gepfiffen. Es wehte ein sehr steifer Wind, genau in die Förde.

Das große Schauspiel, die Segel zu setzen, fiel aus.

1000 Uhr In See. Der Jockel sprang an. "Die Leinen los". Mit Front zur Pier standen wir an Deck und winkten mit den Mützen. Zwei Pfaffen waren auch an Bord. Wir hielten eine Andacht.

Unsere "erste" Seewache lief von 1000 - 1200 Uhr.

Als wir aus der Förde waren, machte sich der Seegang bemerkbar. Der Wind wehte so stark, dass wir die Rahen hart um den Luftwiderstand zu verringern. Unsere "erste Seewache" lief von 1000 Uhr bis 1200 Uhr.

Backschaft auf See kann eine haarige Sache sein; einen kleinen Vorgeschmack bekamen wir schon, aber es schien die Sonne und alles ist wunderbar.

Die Mittagspause ist auf See länger - von 1230 bis 1330 Uhr. Nach dem Essen - beziehungsweise dem Faulenzen an Deck - setzten wir die Stagsegel. Das Schiff bekam so eine nette Krängung; man musste im berühmten Seemannsgang gehen.

Der Seegang machte einigen das Leben dergestalt schwer, dass sie spenden mussten. Selbst das Logbuch konnte man nur schwerlich kritzeln.

Beim lebendskundlichen Unterricht fielen mir die Augen zu. Den Schlussgag brachte am Abend der Arzt mit seiner Rede über die "Liebe in fremden Häfen".

Die Wache 2000 h - 2400 h brauchte ich nicht mitzufahren. So hatte ich eine Bauernacht.

Mittwoch, den 20.07.1966, Im Hafen von Kopenhagen

Gegen 1030 Uhr tauchte der Hafen von Kopenhagen auf. Ein Großsegler nach dem anderen kam in Sicht.
"Georg Stage"; "Sorlandet"; "Staatsraad Lehmkuhl"; "Christian Radich"; "Danmark". Diverse Boote - wie auch "Sir Winston Churchill" lagen an der Pier. Die "Gorch Fock" wurde an die Boje bugsiert.

1100 Uhr Kopenhagen. Einige wurden in eine Porzellanfabrik und einige zur Bierbrauerei Tuborg delegiert. Der Rest brachte die Barkassen zu Wasser und macht.... Reinschiff; es stank mir. Gegen 1600 h fuhren wir an Land. Ein Bummel durch die Geschäftsstraßen und ein paar nette Stunden im Tivoli beendeten den Tag.
P. S. Soft Ice

Donnerstag, den 21.07.1966 Kopenhagen!

Die Sonne knallte wie am Vortag auf's Deck. Wir hatten "Gruppe vom Dienst". Alle Nas' lang gab es etwas zu tun. Das kam auch hauptsächlich daher, dass für die Bordparty der Offiziere vieles präpariert werden musste; der Schweiß floss in Strömen. Nur auf der Hütte unter dem Sonnendach und in der Kühlkammer der Kombüse war es kühler. Kein Wunder, dass ich in der Kombüse half; es fiel sogar etwas ab – ein Äpfelchen, eine Tomate...
Der Strom der Gäste "wälzte" sich an Bord, bis gegen 2000 Uhr.
Nach zwei Stunden etwa, gingen sie wieder. Der Rest des Essens wurde für die Besatzung frei gegeben.

Leider fuhr ich da schon als Kuttergast. Als Kuttergast hat man den Kutter beim Anlegen mit dem Enterhaken festzuhalten. Der Reinfall war nur der, wir mussten die ganze Nacht durch fahren.

Freitag, den 22.07.1966, Kopenhagen!

Mit 10,- Kronen kaufte ich mich gewissermaßen aus dem Reinschiff (negative Sicht).

Positive Sicht: Um 0730 Uhr fuhren wir nach Helsingör. Dort besuchten wir bei herrlichstem Sonnenschein das Hamletschloß namens Kronborg.

Dann suchten wir eine Werft auf, drehten dort unsere Runde und bekamen dann in der Kantine ein astreines, reichhaltiges Essen..., Nachtisch, Kaffee und Kuchen...Mit der besten Laune stand ich auf und ... war lustig wie noch nie.

Ein Bummel durch Helsingör beendete die Fahrt.

Wieder an Bord, besorgte ich mir gleich eine Urlaubskarte und zog alleine ab; in die Stadt nach Antiquitätenläden suchend. Am Abend schob ich, aus Ermangelung an einer Gelegenheit zu tanzen, auf die "dreckige Meile" von Kopenhagen. Nach 1 ½ Stunden kotzte mich dies dreckige "Klein St. Pauli" dergestalt an, dass ich mich noch heute ekele!

Samstag, den 23.07.1966, Kopenhagen!

Das Riesen - Reinschiff an diesem Samstag ertrug ich in himmlischer Ruhe in der Kammer des Stabsarztes. Und der Schmadding ließ wie immer folgende Worte ertönen: "Besatzung mal her hören! Heut wird ein astreines Reinschiff gemacht. Je schneller ihr arbeitet, desto schneller sind wir fertig. Also, klotzt ran...!!"
Gegen 1500 Uhr schob ich an Land, spazierte durch Parks, nickte auf einer Bank ein, schlenderte durch die Altstadt und verprasste mein letztes Geld mit Soft Ice. Mit Wolf und Ulli ging ich zum Schiff zurück.

Sonntag, den 24.07.1966, Kopenhagen

Ohne Geld hat man nun mal keine Lust an Land zu gehen. Obwohl wir schon um 1000 Uhr raus durften, blieb ich unter Deck und schrieb Briefe.

Gegen 1700 Uhr lockten mich Erik und unsere Schwaben an Land.

Wir gingen Richtung Tivoli durch die Stadt. Wir wechselten noch Geld. Im Tivoli hatten wir einen Mordsspaß.

Montag, den 25.07.1966 Kopenhagen

Heute fand die große Show statt. Der dänische König paradierte an den Windjammern vorbei.

Zu diesem Zweck standen unsere Jungens auf den Rahen; sie hatten weißes Paradezeug an.
Da wir uns heute wieder eine Wache "eingefangen" hatten, stand ich zur Zeit der Parade auf der Back und hatte gute Gelegenheit zu photographieren.
Da ich ein Glas hatte, versuchte ich Bilder dadurch zuschießen. Hoffentlich sind sie etwas geworden.

Und mit der Wache..., das ist doch ein glatter Sch... in den Ofen!!! Nach dieser Parade marschierten nämlich alle Freiwachen in den Tivoli; Eintritt haben sie nicht zu zahlen. Alles gratis. Es ist übrigens die einzige - wie wir allgemein zu unserem Bedauern festgestellt haben - gesellschaftlich-offizielle Veranstaltung.

Das Kutterrace, die Fußballspiele mit den Mannschaften der Dänen und Norweger und die Besichtigungen gelten ja nicht.

Dienstag, den 26.07.1966 Kopenhagen, Auslaufen Kopenhagen


Aus dem Befehlsbuch "Gorch Fock": Wache: StB 1

Die Schiffe "Sorlandet" und "Staatsrat Lehmkuhl" fuhren schon vor.

0800 Uhr unter Motor Auslaufen aus dem Hafen von Kopenhagen. Wir fuhren für's Fernsehen und einige dänische Offiziere noch Manöver: Segel setzen...! etc.

Der Wind blies kernig aus nördlicher Richtung, gerade richtig für uns. Mit dem Auslaufen begann auch die Seewache, die wir nach dem englischen Törn fahren.

Von 1530 bis 1820 Uhr hatten wir uns wieder eine Wache eingefangen. Unsere Korporalschaft stellte die Posten; ich machte den Signalgasten.

Bis zum Schloß Helsingborg fuhren wir unter Segel. Dann wurden die Segel eingeholt. Mit dem Jockel fuhren wir weiter da der Wind von vorn blies.

Bis 0400 Uhr am Dienstag, den 26. 07., verschwanden wir in der Miefrolle.

Mittwoch, den 27.07.1966, In See

0330 Uhr wurden wir geweckt; wir hörten das trampeln an Deck; es wurden die Segel gesetzt. Unsere Korporalschaft ging als Kuttermannschaft der halben Wache. Nachdem wir aufgezogen waren, setzten wir die restlichen Segel. Bis zum Wecken 0625 h hatten wir fleißig zu tun. Nach dem Motto: "Du kannst schon ganz schön mithelfen".

Nach 0800 Uhr holten wir das Waschen und Essen nach, während die Anderen Reinschiff machten.

Wir segelten im Skagerrak gen Norden als wir unter Deck Unterricht über die Aufgaben des Signalgasten und die Wirkungsweise des Kompaß bekamen. Obermaat Thiem führte uns dann in's Morsen ein. Gegen Mittag Frederickshavn und dann das Feuerschiff "Skagen".

1330 Uhr standen beide Wachen klar zum Manöver. Land war nicht mehr in Sicht. Der Reigen begann mit einem "Boje-über-Bord-Manöver".


Ein Kutter wurde ausgesetzt, von dem aus ein Fernsehmann filmte; und deshalb fuhren wir auch einige Schaumanöver... Wenden und Halsen in einem fort. Und wir hatten den "Spaß" die Tampen willig zu rupfen. Der Kutter wurde einige Male zu Wasser gelassen.

Exerzieren!
Dann machten wir die letzte Wende; es sollte zurück nach Frederickshavn gehen.

Gegen 2000 h passierte ein Unglück. Obermaat Bösenkötter fiel aus dem Großsegel; er schlug an Deck und erlitt eine schwere Gehirnerschütterung. Aufregung!

Auch wegen dem jetzt ungünstigen Wind bargen wir die Segel. Mit dem Jockel zuckelten wir nach Frederickshavn.

Donnerstag, den 28.07.1966, Vor Anker in Frederickshavn, Kreuzen im Skagerrak

Wir erwachten aus unserer Bauernnacht; unsere Wachhälfte konnte durchschlafen!

Um 0625 Uhr An Deck empfing uns der herrlichste Sonnenschein, der den ganzen Tag über blieb. Um 0800 Uhr wurden wir zur Wache heraus gepfiffen. Reinschiff fiel natürlich deshalb für uns aus. Obermaat Bösenkötter wurde schon in der Nacht mit einem Marinekutter ausgeschifft und in's Krankenhaus nach Frederickshavn gebracht.

Als Signalgast der Wache achtete ich auf den Flaggengruß anderer Schiffe um ihn zu erwidern. Außerdem muss der Signalgast aufpassen, dass alle halbe Stunde Eintragungen über Kurs und Fehlweisung, Luft- und Wassertemperatur, Luft- und Fahrtgeschwindigkeit gemacht werden. Er hat über Bord Gefallenes wahrzunehmen. Er hat zu melden, wenn Schiffe von achtern aufkommen.

Um 1100 Uhr begannen wir mit Segel setzen und nahmen Kurs auf Feuerschiff "Skagen"


Die Segel wurden so getrimmt, dass wir möglichst mit dem Startschuß über die Ziellinie gingen. Der Schuß fiel für uns 1445 h. Vor uns startet die Klasse "bis 50 t", darunter die "Urania" und die "Sir Winston Churchill". Der Wind stand ungünstig: genau in den Skagerrak hinein.

Nach dem Abendbrot schoben wir wieder, auf See, Wache, und zwar von 2000 bis 2400 Uhr. Während der Wache machten wir 1 Stunde Morseübungen.

Freitag, den 29.07.1966, In See, Kreuzen im Skagerrak

Mit unserer Wache von 1200 h bis 1600 h begann der Wind sturmartig (8) zu werden. Unsere Fahrtgeschwindigkeit stieg von 7 auf 11 Knoten. Das Schiff hatte eine Krängung von 15°, an Deck spannten wir Führungstaue. Die See kam auf der Back über; durch die Klüsen quatschte das Wasser.

Zur Probe sollten wir mal in die Royal hoch; die Schwankung des Schiffes drückte uns beim Entern auf die Wanten oder wieder kräftig weg oder auch zur Seite; es war nicht leicht. Das Entern sonst, erscheint so wie ein Kinderspiel. Auf der Royal legten wir aus. Von da oben auf das, in den Wellen stampfende Schiff zu sehen und die Schwankungen mitzumachen ist ein tolles Gefühl...

Samstag, den 30.07.1966, In See

Von 0000 h - 0400 h hatten wir wieder Wache; es ist die so genannte Hundewache.
Die Zeit vertrieben wir uns mit morsen und dann fuhren wir noch eine Wende. Der Wind kam immer noch, wenn auch schwach, aus Südwest. Wir fuhren westlich der Jütlandbank.

Bis zum Wecken gönnten wir uns noch eine Mütze Schlaf. Das Reinschiff, am Samstag gefürchtet wegen seiner Länge, verging mir diesmal enorm schnell.

Zum Mittag gab es die gefangenen Makrelen. Komisch: die Offiziere aßen den Klassefisch nicht, die Mannschaft kaum, so schlemmten wir, die OA's.
Der Zeugdienst am Nachmittag gestaltete sich so, dass die Freiwache an Deck ihre Wäsche schrubbte. Während die Besatzung wegen des Weltmeisterspiels wie gebannt vor dem Radio hing, schreib ich.


Sonntag, 31.07.1966, In See, Flaute, kaum nächtliche Fahrt


Der Sonntag begann für unsere Wachhälfte schon um 0400 Uhr. Es war wieder Wache; ich ging Posten "Ausguck". Außer nach Schiffen und Tonnen Ausschau zu halten, hat man die Aufgabe nach den Positionslampen zu sehen, ob sie brennen und daraufhin alle halbe Stunde zu singen: "Auf der Back ist alles wohl, die Laternen brennen". Man "brüllt" diese Meldung vom Vorschiff zum Achterschiff. Bis 0800 h ging die Wache.

Nach dem Frühstück machten wir Unterricht mit Quarta-Stoff über Sonne, Mond, Längengrade und Breitengrade...

In unserer Korporalschaft haben sich zwei Besatzungen für je eine Back heraus kristallisiert. Da unsere Back stets schneller steht, ist sie auch schnell abgegessen und da wir schneller essen, essen wir auch mehr. - Zum Ärgernis und Gezeter...

Da der Wind aufbriste und Regen brachte, blieb ich den freien Sonntagnachmittag unter Deck lesend, schreibend, filzend. Den Abschluß des Tages bildete ein fürstliches Bad. Mit einer Schüssel goss ich mir mehrere Male Wasser über den Balg. Frisch gewaschen schwang ich mich zur Bauernnacht in die Hängematte.

Montag, 01.08.1966, In See

Dies war ein Tag an dem wir nur Unterricht machten. Seemännische Handarbeit sollten wir lernen; spleißen, kleecken, knüpfen, flechten...so kann ich jetzt Matten und Pfänder selbst machen.

Der Wind der tagsüber kräftig wehte, flaute gegen Abend ab. Wir setzten den doppelten Ankerballon bzw. zwei rote Laternen, was bedeutet, dass wir manövrierunfähig waren. Da wir keine Fahrt machten, war dies die günstigste Gelegenheit zum Angeln. Bis zum Reinschiff warf ich den Blinker in den Teich - nichts biss an. Während unserer Wache konnte ich nicht weiter angeln.

Mit der Zeit kamen wir aus dem Tiefdruckkerngebiet heraus; wir machten "langsam" voraus.


Dienstag, den 02.08.1966, In See, Einlaufen Marinehafen Den Helder/Holland


Und am Morgen hatten wir den herrlichsten, steifen Wind; von achtern fegte er in die Laken. Das Schiff schaukelte von rechts nach links, ganz unstabil. Die Wellen rollten von der Seite heran. Bei dem Wind stiegen unsere Chancen das Race noch zur rechten Zeit zu beenden, vom Nullpunkt auf "gute Hoffnung".
1045 Uhr passierten wir "Texel" Feuerschiff. Das Race gewannen wir, als unserer eigener Konkurrent, als erster!!

Wir liefen in Den Helder ein, bargen die Segel und machten fest. Der Hafen von Den Helder ist ein ausgesprochener Kriegshafen. Etliche Zerstörer, Fregatten und U - Boote lagen an den Kais. Nach einem viel zu kurzem Reinschiff kamen wir an Land.

Mit Erik trabte ich durch die Stadt; Bierchen 1, 2, 3...., "Hongkong", "Exstase".

Mittwoch, den 03.08.1966, Marinehafen Den Helder/Holland


Gegen 1500 h stiegen wir an Land. Das Schönste des Tages war, dass die beiden Schwaben, Erik und ich in den Restaurant Hongkong zusammen saßen und uns gemütlich unterhielten. Dazu genehmigten wir uns einige Portionen chinesischer Gerichte. Danach tranken wir Sherry. Und dann war es auch schon 2300 h - Zeit zum Gehen.

Donnerstag, den 04.08.1966, Marinehafen Den Helder/Holland

Für eine Abordnung der Gorch Fock ins Marinemuseum von Den Helder hatte ich mich gemeldet. Vormittags zogen wir los; es war nicht sonderlich interessant und die Tasse Café, die ausgeschenkt wurde, war schlicht weg Milchsuppe! Ich bedauerte schon, mich nicht für die Fahrt nach Amsterdam gemeldet zu haben.

Als wir mittags wieder an Bord kamen stellte es sich heraus, dass einer der "Amsterdamfahrer" ausfiel. So fuhr ich im Bus auch noch mit.
Eine gute Stunde Reijhsmuseum; eine Grachtenrundfahrt und zurück nach Den Helder. Abgesehen von der knappen Zeit - ich hätte gern in den vielen Antiquitätengeschäften herum geschnüffelt.

Freitag, den 05.08.1966, Marinehafen Den Helder/Holland


Am Nachmittag kaufte ich etwas ein; mit einem holländischen Soldaten ging ich einen zischen, um dann clock 2000 Uhr wieder in alter Runde im Hongkong zu sitzen.

An diesem Freitag war Flottenbesuchstag. Alles konnte man sich ansehen, nur die U-Boote, in die ich gerne gestiegen wäre, nicht. Als ein Kind des Glücks, hatte ich das Glück am Samstag Wache schieben zu dürfen. Es war, wie am Freitag, Besuchstag. Die Menschen standen Schlange an der Gangway und ergossen sich dann auf das Schiff. Oft ging ich auf's Deck und sah mir die Masse an. Ich wurde irgendetwas über das Schiff gefragt.


Für einige Stunden spielte ich den Steward in der O.-Messe. Und dann sah ich zufällig auf den Kai ............siehe Tagebuch.
Der allabendliche Sing - Sang fand viele Besucher; es stellte eine kleine Show dar.

Sonntag, den 07.08.1966, Marinehafen Den Helder/Holland

Vormittags widmete ich mich dem Zeugdienst und am Nachmittag haute es mich zum Schlafen hin. Um einige Lebenszeichen von mir zu geben, schrieb ich einige Briefe.

Am Abend zog es uns, trotz starkem Schauer, an Land; ich wollte noch mal ordentlich tanzen gehen. Erik, Christoph und ego warfen unser Geld zusammen und zogen von Pinte zu Pinte. Dann wollte ich ein Tänzchen wagen. Sch....! Die Beiden wollten nicht mit. So zogen wir nach "Granada" (Pinte)

Da wir uns nach dem vielen Nichtstun das Abendessen verdienen sollten, fuhren wir ein "Boje-über-Bord-Manöver".

Bei der Gelegenheit betrachte ich mir noch mal das Verhältnis Segel - Wind, über das Leutnant Wagenknecht am Vormittag uns einiges erläutert hatte.

Das allabendliche Singen ist Klasse; ich mache es gern und finde, dass es ein guter Abschluß des Tages ist.

Mittwoch, den 10.08.1966, In See

Der Tag begann für uns schon wieder um 0000 Uhr bzw. 2400 Uhr; es wurde die schönste Nachtwache , die ich gestanden habe.

Ein steifer Wind fegte in die Laken. Wir donnerten zeitweise mit 13,5 Kn an der englischen Küste nach Norden. Manchmal sah der Mond hinter einer Wolke vor; die Segel hoben sich dann - ganz schwarz - gegen den Himmel phantastisch ab.

Mit Fiete.... unterhielt ich mich noch so nett, dass die Zeit wie im Flug verging.

Der Tag war recht unbedeutend, zumal der Wind einschlief wie ein bockiges Kind - langsam aber sicher.

Nach dem Abendreinschiff platzierte sich die halbe Mannschaft auf dem Mitteldeck, das Bordkino gab seine erste Vorstellung: "Ringo".

2300 Uhr "Klar bei Hängematten".

Donnerstag, 11.08.1966, in See

Like usually traten wir nach dem Morgenreinschiff zur Musterung an. Der Knüller der Musterung war die Fußkontrolle. Ich wurde auch aufgeschrieben auf der Liste der Schwarzfüßler. Nur war ich leicht beleidigt, da ich jeden zweiten Tag meine Füße wasche.

Der Wind hatte gedreht; wir segelten auf Norwegen zu.

Am Nachmittag wurde bekannt, dass der Blinddarmfall akut wurde. Ein Hubschrauber wurde angefordert, da wir aber zu weit auf See standen, wollten die Engländer keinen schicken. Gegen Abend kam ein Funkspruch durch, dass doch ein Hubschrauber kommen sollte.

Von 1800 bis 2000 Uhr hatten wir Kuttermannschaft.Man prophezeite uns, dass wir im Kutter den Kranken vom Schiff wegrudern und übergeben sollten. Ich fand es Klasse; die Zeit lief, die Engländer kamen nicht. Bis endlich ein Aufklärungsflugzeug kreiste und ein kleiner, schwarzer Punkt über der Kimme erschien, waren wir schon abgelöst.

Der Winddruck vom Hubschrauber trieb den Kutter vor sich her; es sah toll aus; bis er endlich über dem Kutter stand. Der Kranke wurde in einer Bahre hoch gehievt.

Die Segel waren schon vor dem Abendbrot aufgegeit worden.
Unter Jockel fuhren wir, in der Dünung von einer Seite auf die Andere rollend, Richtung schottische Küste.

Die Segel brauchten wir nicht mit zu setzen; das machte die Wache. Unsere Wache ging unter Deck, zur Bauernnacht.

Freitag, den 12.08.1966, In See


Bei der 0400 bis 0800 Uhr-Wache ging ich heute zum ersten Mal als Rudergänger.

Bei dem berühmt-berüchtigten Drahtspleiß verging die Zeit wie im Flug.

Beim Mittagessen zeigte es sich wieder einmal, dass wir eine zweite Back mit eigenen Backschaftern aufgemacht hatten. So wurde die Backschaft viel einfacher, schneller und es entwickelte sich etwas Zusammenarbeit.

Der kleine Tauknüpftest fand am Nachmittag statt.

Gegen 1500 Uhr lag Steuerbord querab die Insel Fair Island.
Gegen 1630 Uhr segelten wir an den Orkney Inseln vorbei.... wir segelten im Atlantik.

Die 2000 bis 2400 Uhr Wache wurde recht kühl. Die Sonne ging wunderbar unter. Mit dem Fernglas konnte man am Horizont ganz klar Wellenberge sehen, die sich ausgezeichnet gegen den rötlichen Himmel abhoben.

Samstag, den 13.08.1966, In See

Das grenzenlos lange Samstagreinschiff mit dem Bordschuh- und Backen schrubben war zermürbend.

Und dann hatten wir noch von 1200 bis 1600 Uhr Wache. Die Sonne schien; die See lag spiegelglatt da. Das Schiff befand sich mitten in einem Hochdruckgebiet. So saß ich an Deck in der Sonne und bastelte aus einem Tampen ein Löwchen.

Dieser Samstag war Duschtag. Nach der großen Reinigung fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Zum Duschen gab es wieder das verbreitete Gerücht, viel Wasser ??? (hier versagt Dein LB, ich vermute mal: daß Wasser die Haut zu dünn macht, oder so?)

Sonntag, den 14.08.1966, In See

Am heiligen Sonntag war für uns die 2400 bis 0400 Uhr Wache fällig. Meinen Posten ging ich als einer der vier Rudergänger. Diese Wache hatte, wie es bei der Wache sein sollte, ihren speziellen Höhepunkt; dieser Höhepunkt ist für uns nachts nur das Morsen "für den Wachoffizier einen Kaffee".

Diesmal aber bildete eine Meldung des Posten Ausguck auf der Back diesen Höhepunkt. "Backbord 2 Strich Fahrzeug". Ein immer größer werdendes Licht erschien am Horizont; es sah bald aus, wie ein mit Wind gefülltes Segel. Es stieg am Himmel aufwärts...

...der Ausguck hatte den Mond als Fahrzeug gemeldet! Zu diesem Spaß kam noch eine ¾ Std. morsen.

Nach der Sonntagsroutine dauerte das Reinschiff nur eine Stunde. Dann war Freizeit für uns. Ich schrubbte mein Takelpäckchen und schrieb, in der Sonne liegend, einen Brief an T.

Eine Mütze voll Schlaf holte ich mir noch unter Deck, um dann um 1600 Uhr wieder auf Wache zu stehen. Gleich nach Antritt fuhren wir eine Halse. Wir wirbelten und zupftenwie die Wilden. Ein Tampen, da zu großer Zug drauf war, rauschte durch meine Hand: sie wurde heiß und eine kleine Blase folgte sofort. Die Hände fühlten sich an wie Haken und von dem Walkadaver, der während des Manövers quer ab vorbei trieb, habe ich leider überhaupt nichts gesehen.


Als die Wache endete, endete auch das Manöver. "Kaleu" Wind äußerte sich zu dem Manöver: "Ich muss Euch ein Lob aussprechen! Ihr habt eine Halse so schnell gefahren wie sonst mit einer Wache. Als Belohnung wird Euch das Essen doppelt so gut schmecken". Klasse!

Montag, den 15.08.1966, In See

Kapitänleutnant Wind hatte heute Geburtstag.

Die Wache Backbord II von 0400 bis 0800 Uhr brachte ihm ein "Ständchen": Winde weh'n, Schiffe geh'n.... Worauf die Backbord II an einer Kognakflasche vorbeizog und Geburtstagsglückwünsche überbrachte.

Gegen Mittag kamen die Berge der Färoer Inseln in Sicht.

Dann fuhren wir durch einen Fjord. Rechts und links hohe, triste, hoffnungslos wirkende, doch wilde Berge. Nur schwach waren die Berge mit Gras bewachsen.

Und dann standen noch an den Hängen Häuser; an relativ vielen Niederlassungen kamen wir vorbei; oft schien der einzige Zugang zu dem Örtchen die See zu sein. Nur wenige hundert Meter um die Häuser herum, wurde auf den Feldern Gras angebaut.

Wovon leben diese Menschen nur?

Dienstag, den 16.08.1966, In See

Bauernnacht!


Als wir geweckt wurden, lag über der See dichter Nebel. Vor jedes Schott wurde ein Posten gestellt, der darauf achten sollte, das die Schotten geschlossen blieben. Das war eine Vorsichtsmaßnahme für einen Unfall im Nebel und nannte sich Kriegsgeleitverschlusszustand.


Den ganzen Tag lang hatten wir Unterricht. Leutnant Wagenknecht brachte einige gags von denen der Beste, eine Entgegnung einer Antwort zum Thema, so lautete: "Sie verwechseln das mit dem Radetzkimarsch!"

Mittwoch, den 17.08.1966, In See

Der heutige Tag sollte wegen Spannungslosigkeit aus meinem Logbuch gestrichen werden...

Ein kräftiger Wind hatte uns gezwungen vorübergehend nach Süden abzudrehen.
Um 1030 h fuhren wir dann eine Halse um wieder auf den alten Kurs zu gehen.
1200 bis 1600 Uhr gingen wir wieder Wache (ich als Signalgast). Bei der Gelegenheit fragte - interviewte - mich Lt. Wagenknecht warum ich zur Marine gegangen sei. Zeugdienst!

Donnerstag, den 18.08.1966, In See

An diesem Vormittag startete das längst erwartete Rettungsinsel - Manöver. Das Wetter war sehr ruhig; unter großem Gelächter stiegen etwa 20 Mann in die Insel.

Sie trieb ab..... Nach drei Stunden fischten wir die Insel wieder auf.

Beim Morsen, während der 1200 bis 1600 Uhr-Wache, bekam ich keinen Stich; - Ausscheiden! Schon mit dem ersten Blinken war ich irgendwo anders. Ärgerte mich den ganzen Tag.

Freitag, den 19.08.1966, In See

Auch während der Wache von 0400 bis 0800 Uhr klappte es nicht mit dem Morsen.
Island in Sicht!!!


Der Wind lässt uns immer noch im Stich, mit 2 kn schieben wir uns durch die See.

Island rückte immer näher. Wir segelten mit schwacher Fahrt in einer großen Bucht. Die Abendsonne schien auf den großen, mit Schnee bedeckten Berg von dem sich einige, riesige Gletscher bis hinunter ins Meer schoben.

Wilde, verkarstete, ausgewaschene Hänge sah ich durch das Fernglas, das ich als Posten Ausguck um den Hals hatte. In der öden Mondlandschaft machte ich sogar noch eine kleine Ortschaft aus.

Heute Vormittag lernten wir einiges über Segel nähen und Schiffspflege.

Samstag, den 20.08.1966, In See

Der Samstag ist mit dem Großreinschiff unzertrennbar verbunden. Zu diesem Thema sage ich für heute nur - Karl May!

Der Meteorologe verkündete, was wir schon lange merkten, dass die Sonne scheine und scheinen solle, dass wir in einem Hochdruckkern lägen, was für das Gebiet um Island, der Wetterküche Westeuropas, eine Seltenheit und dem zufolge nicht von langer Dauer wäre.

Wir segelten der Inselgruppe der Westmänner entgegen. Der Wind blieb schwach; die Sonne schien. Wir schrubbten unsere Sachen an Deck.

Dabei setzte die große Klauerei setzte ein oder anders ausgedrückt: sie setzte sich in größerem Maßstab fort. Waschpulver verschwand im Handumdrehen! Schrubber wechselten den derzeitigen Besitzer, man brauchte ihn nur aus der Hand zu legen! Gemüter erhitzten sich über dem stetigen "organisieren"!
Als ich ich zwischen 2000 und 2200 Uhr am Ruder stand näherten wir uns der Inselgruppe der Westmänner.

Selbst diese kahlen, nur mit Gras bewachsenen Inseln haben sich Menschen erobert. Noch von fern, sahen wir neben einer Insel eine Rauchschwade aufsteigen.

Der Rauch, so stellte sich bald heraus, kam von einem Krater her, der rote Lava empor schleuderte, die in einem Fluss ins Meer strömte.

Unter Jockel liefen wir dicht unter die Insel. - Das Meer lag spiegelglatt. Der speiende Krater hob sich wunderbar gegen den langsam dunkelnden Himmel ab.

Sonntag, den 21.08.1966, In See

An diesem Sonntag begann es schon damit, dass es ganz leckeren Kuchen zum Frühstück gab und zum Abendbrot Aal. So wurde der herrliche, sonnige Tag eingerahmt.

Vormittags lernte ich für den Test der am Montag steigen sollte.

Und sonst saß ich in der Sonne und las voller Spannung "Die Fastnachtsbeichte" von Carl Zuckmayer. Ich frönte ganz der Ruhe und Gemütlichkeit.

Montag, den 22.08.1966, In See, Ankern im Hvalfjördur

Zur Hundewache sprangen wir wieder um 2300 Uhr aus der Miefrolle. Die Nacht war klar und der Wind - wie gehabt - sehr schwach.

Steuerbord quer ab lag hell erleuchtet Reykjavik. In der Takelage hatten wir einige Segel festzumachen, als mit einem Mal am Himmel ein Nordlicht zu sehen war; ein heller, breiter Streifen leuchtete.

Gleich nach der Musterung schrieben wir einen weiteren Test - werden sehen, was er so in sich hatte. Der beliebte Morsetest lief auch wieder vom Stapel; über Logs und Lote hatten wir heute die dritte Stunde; es hing mir ein bisschen zum Halse heraus.

Inzwischen waren die Segel von der Steuerbord II aufgegeit worden. Mit beiden Wachen machten wir die Segel fest. Der Jockel lief und wir nahmen Kurs auf unseren Ankerplatz in einem Fjord, nördlich von Reykjavik. Ankertage sind berüchtigte Tage, da während dieser Zeit der Schmadding sein Zepter schwingt.

Der Tag klang aus mit dem Gefangenen Chor in singender Pose; im übrigen befinde ich mich auch in dem Chor. Alle die, die meine musikalischen Qualitäten kennen, werden lachen. Aber so ist es die beste Art, Lieder und Melodien kennen zu lernen. Das Schiff lag fest vor Anker im Hvalfjördur.

Dienstag, den 23.08.1966 Vor Anker im Halfjordur

Am Vormittag war das übliche Reinschiff. Von der Ankerwache, die unsere Korporalschaft hatte, war ich etwas müde. Kaum hatten wir gestern um 1820 Uhr die Segelwache beendet, kamen wir laut Plan mit Ankerwache dran. Und außerdem gingen wir am Morgen noch eine Stunde länger als geplant.
Glatter Sch.... in den Ofen.

Seemännische Handarbeit und ein Morsetest folgten. Nach dem Essen folgte Arbeitsdienst unter der Regie von Monsieur Schmadding. Den Klauen des Schmadding entrann ich, da ich mich zur Kuttermannschaft meldete die die Utensilien, für das Schweinebratenfest der Offiziere, an Land bringen sollte. Wir pullten rüber; ich betrat zum ersten Mal das wilde, bergige Land. Am Strand sammelten wir Holz. Ein Regenschutz über dem vorsintflutlichen Ofen war schnell gezimmert. Wir legten wieder ab vom steinigen Strand. Beim Zurückpullen zerbrach ich beim Pullen einen Riemen....Klasse!!!

Am Schiff legten wir gar nicht mehr an, sondern wurden wieder - zwar an eine andere Stelle - an Land geschickt. Der Botschafter wartete am Strand. Also pullten wir! Noch nie hatte mir das Pullen so einen Spaß gemacht!!!!

Eine gute halbe Stunde schossen wir uns in verdienter Weise auf; dann setzten wir die Gesellschaft an Land; Bier und Schnaps lag im Kutter verstaut. Da Ebbe war, kamen wir nicht so hoch aus dem Wasser - die Klamotten waren zu groß - so wurde ich, wie viele der Offiziere, auf dem "Buckel" des OLtzS Hühne reitend, der Stiefel an hatte, an Land getragen.

Für die eifrigen Puller lagen Steaks auf dem Rost bereit. Mit einer abgestaubten Kiste Bier pullten wir zurück an Bord. Ein wohliges Gefühl von entspannender Erschöpfung machte mir die Lider schwer.

Mittwoch, den 24.08.1966, Vor Anker im Hvalfjördur

Ein ganz wilder Sturm sauste in der Takelage; draußen hätte es eine ganz dolle Fahrt gegeben. Es soll Windstärke 11 gewesen sein. - Heute bei dem Wetter erwischte es die Kammer. Wir hatten das Mitteldeck mit Gebetbuch d. h. Sand, Lauge und einem Backstein zu bearbeiten. Der "Trost" bei der Arbeit war der, dass niemand ein "anständiger Seemann" ist, der nicht einmal das Gebetbuch "gelesen" hat.
Das Wetter hatte umgeschlagen, wurde immer kerniger und veranlasste Obermaat Kowalski schon um 1530 Uhr den "Löffel" wegzulegen und wilde Storys zu erzählen.

Donnerstag, den 25.08.1966, Reykjavik

Um 0700 Uhr ging der Anker aus dem Grund. Da wir uns schon wieder eine Wache eingefangen hatten, stand die Backbord II schon um 0600 Uhr auf. Mit den schönsten Landschaften, bezaubernd von der Sonne beschienen, verabschiedete sich der Fjord von uns.
Zwei Stunden später legten wir in der nördlichsten Landeshauptstadt an.


Die lang erwartete Post kam an Bord. Das Essen war gestaut und schon tippelte ich durch Reykjavik. Was uns auffiel, als wir durch die Straßen gingen, war, dass das Geld in unserer Tasche wenig wert war. Ergo machten wir einen Rundgang...


Große Klasse, dass ich an dem Abend als Sängerknabe auf einen Empfang beim Botschafter kommen sollte. Whisky...Bier wurde gereicht / Schwof im Keller. Nachher ging es privat weiter, bis 2400 Uhr.
Freitag, den 26.08.1966, Reykjavik

Wache - Hafenwache; Verdammt noch mal! Und zugenäht! Wir kamen aus dieser Wache nicht mehr heraus! Und dann bekam ich noch den Posten des Fallreepgasten. Da ich keine Seite pfeifen konnte, stieg ich in den Kettenkasten und pfiff, dass es sämtlichen Ratten an Bord schlecht wurde; Kakerlaken verließen in offener Formation fluchtartig den Kettenkasten.

Mit brummendem Schädel kroch ich an Oberdeck.

Samstag, den 27.08.1966, Reykjavik

0845 Uhr Mit vier Bussen machten wir eine Fahrt ins Landesinnere, Steinwüste!

Nur schwach mit grünem Zeug bewachsen. Berge, einzelne Gehöfte, etwas Wiesen.

Wild, rauh - bezaubernd durch die warmen Quellen, die Gletscher...., doch keineswegs schön, eher trist.

Doch wie kann man nur in diese Wildnis ziehen, die zweifellos nicht ohne Reize ist - weit...!

Kühe - kaum; Schafe - etwas mehr;

Pferdchen - findet man manchmal; sie sehen wunderbar aus.


Angesichts dieser Landschaft begannen fast alle im Bus zu schlafen. Am Samstagabend stieg ich nicht mehr an Land.

Sonntag, den 28.08.1966, Reykjavik, Auslaufen

Am Sonntag blieb ich auch an Bord und brachte meine Wäsche auf Vordermann.
Köstlich war es anzusehen, wie die ...... Mädchen, Stewardessen, Krankenschwestern von der Party bei den Unteroffizieren zu der Party der Offiziere weiter gereicht wurden. Die Mädchen gingen somit die Marinedienstgrade ganz durch.

Um 1700 Uhr liefen wir wieder aus; es war gut so, denn nichts hielt mich - uns - mehr.

"Wachfreudig" fahren wir schon wieder als erste die Segelwache; es war diesmal durchaus positiv; wir brauchten nämlich die Segel nicht mitzusetzen.

Gegen 2100 Uhr bargen wir die Segel; unter Jockel - Bauernnacht - fuhren wir nach Norden.

Montag, den 29.08.1966, Einlaufen Isafjördur

Nun hört Ihr die Geschichte des Einlaufens in den Fischereihafen von Isafjordur:

Es war Sonnenuntergang als wir in den Fjord einliefen und vor dem Städtchen ankerten. Das Reinschiff versteht sich während der Ankerzeit von selbst. Doch das entscheidende kam, als der Lotse an Bord kam und der Kapitän dann entschied: wir segeln in den Hafen! Gleichsam um richtig Anlauf zu nehmen, jockelten wir noch ein Stückchen heraus, denn so konnte man fast an Land spucken.
Also setzten wir die Segel, ließen uns den Wind von achtern für 30 Minuten in die Plünnen wehen und geiten dann wieder auf. Es lebe die Show für hundert und ein "Fischerhus!"






Kplt. Wind fuhr mit full speed in den Hafen. Die Rudergänger wirbelten! Kptl. Wind fuhr außerdem ein astreines Anlegemanöver.
Die Pier stand voller Menschen. Ein größerer Empfang als in Reykjavik; dem entsprechend waren auch die Befehle von oben: "Reines, weißes Takelpäckchen, weiße Tellermütze, schwarze Halbschuhe an Oberdeck!" da bekamen wir ganz einfach "Zustände". So ein Aufwand! Bisher noch nie da gewesen! Für so ein Nestchen!

Dienstag, 30.08.1966, Isafjördur

Hafenwache!
Das Wetter: Klasse! Die Sonne beleuchtete bezaubernd die Berge ringsum. Es war ein Wetterchen so richtig an Land zu gehen.

"Tanz in allen Sälen", dieses Versprechen muss eine Ironie für die gewesen sein, die an Land gingen. Nach Sonnenuntergang soll Isafjördur ein frontaler und totaler Sch.... in den Ofen gewesen sein.

Mittwoch, den 31.08.1966, Isafjördur

Es war an sich nicht gedacht, dass wir heute noch hier bleiben sollten...

So konnte ich dann auch noch an Land gehen. Das Wetter war, wie am Vortag, herrlich. Da im Ort wirklich nichts los ist, stieg ich mit Wolf in die Berge; der Blick von oben war sehr schön. Es wurde ein besinnlicher, ruhiger Tag...

Am Dienstag (30.) waren einige zum Kirchgang abgeteilt worden.

In einer kleinen Kirche hielt ein älterer Pastor eine Predigt in bestechendem Stil: ich fand es sehr bedauernswert, dass ich nichts verstand. Während der Rede ging mir auf, dass man die Frage: wie können Menschen hier (und in den einsamen Gegenden, wie z.B. die Färoer) nur leben wollen, gar nicht stellen darf, weil man von wo ganz anders her kommt. Die Leute leben so, da sie es nicht anders kennen, auf ihre erdachte Weise ein erfülltes Leben.

Um 2030 Uhr liefen wir aus und setzten die Segel.

Hundewache!

Donnerstag, den 01.09.1966, In See, Nordpolarkreis

In See und .....ein denkwürdiger Tag!!!!

Es war während unserer Hundewache, so gegen 0200 Uhr als es unter unserem Kiel laut knirschte. Die Gorch Fock lag auf Nordkurs. Alle zuckten zusammen... An Deck war alles mucksmäuschenstill. Das Knirschen vernahm man am Vorschiff und es wanderte über das Mittelschiff nach achtern aus: Wir hatten den Polarkreis nach Norden hin überquert!

Dieser Tag wurde mit Kakao und Kuchen gefeiert; d.h. dienstfrei - Seemannssonntag - gab es auch. Der Käp'ten hielt eine Rede über Eisberge und über die Grönlandstraße. >>Bismarck.
Da wir Wache hatten blieben wir an Deck, aßen den Kuchen und sangen mit Lt. Wagenknecht. Kptlt. Wind - WO - beteiligt sich am Gesang.
Er redete mich an: " v. Hennig steht da wie ein dithmarscher Bauer."! Außerdem sprach er von einem General v. Hennig, ob ich den kannte. (?) - Klasse!!!

Es war ein ausgezeichneter Tag; ich erfreute mich einer phantastischen Stimmung.

Freitag, den 02.09.1966 In See, Nordküste Island

Ein Seetag!
Die Gorch Fock segelte an der Nordküste Islands mit ungünstigem Wind. Das durchkauen der Unterrichtsthemen hängt mir so zu sagen zum Hals heraus!

Samstag, den 03.09.1966 In See, Nordküste Island

Ein Seetag!

Da Samstag war, gab es keinen Unterricht. Dafür sah man sich schrubbender Weise an Oberdeck.
Die Bordzulage wurde ausgezahlt. Bannig viel Kohle!

Am Abend lieh ich mir aus der Bücherei "Das ostpreußische Tagebuch" von Hans Graf von Lehndorff.

Besonders nachts war es seit Isafjördur empfindlich kalt.

Sonntag, den 04.09.2016, In See, Jan Mayen, Kurs Stavanger/Norwegen

Der Wind brieste stärker auf.

Wir hatten die halbe Fahrt nach Jan Mayen schon hinter uns, als wir eine Wende fuhren und frei von Land direkt auf Stavanger zu steuerten. Der Wind blies mit der Stärke 6. Wir machten sehr gute Fahrt.
Montag, den 05.09.1966, In See, Nordküste Islands, Kurs Stavanger

Das Gespräch des Tages bildete der Hurrikan "Truth and Faith". Er war von der gewöhnlichen Bahn der Stürme nach Norden abgezogen. Seine Kraft wurde durch einen Kaltluftstrom, von Labrador kommend, verstärkt. Er raste mit Marschgeschwindigkeit von 35 kn auf Island zu.

Zu Mittag gab es Eisbein. Manchem war es noch von der Schaukelei, die über Nacht phantastisch zugenommen hatte, ...Also es gab Eisbein, das kaum einer essen wollte. So verdrückte ich sechs stramme Beinchen. Und da war Fleisch dran...!!!

Am Nachmittag unterrichtete uns der Kommandant über den Hurrikan. Er erläuterte seinen Entschluß den Sturm nicht abzuwettern, sondern ihn in einem Fjord an der Ostküste Islands namens "Seydisfjördur", Schutz zu suchen. Er war der Meinung, dass wenn einer von uns zu Schaden käme wäre die ganze Fahrt in ihrer Schönheit zunichte gemacht.
Er erläuterte seinen Entschluß den Sturm nicht abzuwettern, sondern ihn in einem Fjord an der Ostküste Islands namens "Seydisfjördur", Schutz zu suchen.

Er war der Meinung, dass wenn einer von uns zu Schaden käme wäre die ganze Fahrt in ihrer Schönheit zunichte gemacht.

Seewache: Manchmal kam auch ein Spritzer rüber und klatschte in den Wachstand. Ab und zu zischte eine Welle auch über die ganze Back.

Um 2300 h machten wir im Fjord die Segel fest. Es ging astrein und schnell über die Bühne, trotz der Dunkelheit.

Dienstag, 06.09.1966, In See

Seeankerwache musste nach dem Ankern gefahren werden. So kam es, dass ich als Signalgast von 0400 h - 0600 h auf dem Achterdeck stand. Das Wetter war ungemütlich. Im Ölzeug standen Pauli und ich da.

Was haben Signalgasten zu tun wenn das Schiff vor Anker liegt? - Sie haben gar nichts zu tun. Wir standen hinter der Hütte. Ich kochte und fluchte wie noch nie. Ich hätte alle (specially den...) auf die Rah hinauf treten können...bis in die Royal!! Die Sinnlosigkeit sprang mich nackt und kalt, mit vielen Armen, sich von Minute zu Minute neu gebärend, an. Ich tobte!! - Innerlich! Mein Repertoir an Flüchen ging ich von oben bis unten durch. Und dann kramte ich noch lange in der Raritätenkiste.....!

Als es langsam hell und klar wurde, sah man rundherum verschneite Berge. Es war ein phantastischer Anblick.

1430 Uhr nach Unterricht beim Wolken- und Windberater wurde der Anker von uns mit Hilfe des Spills gehoben. Wie "a Hund" sind wir in die Runde gewetzt. Es hat mich fast nach außen geschleudert. Aber Spaß hat es doch sehr gemacht!

Dem folgenden Unterricht entzog ich mich, um mich vom Friseur schneiden zu lassen. Der Friseur machte Pause.

So warf ich einen letzten Blick auf die schöne und wilde Landschaft.

- Abschied von Island -

Vor dem Fjord erwischte uns ein Wind von der Stärke 7 - 8. Die See war aufgewühlt. Auf der Rückseite des Sturmtiefs segelten wir mit einer kernigen Backstagsbrise, von einer Seite auf die Andere rollend, nach Süd - West.

Mittwoch, 07.09.1966, In See

Es war ein wilder Tag! Als wir aus der Bauernnacht erwachten, rollte das Schiff immer noch wie toll. Die Hängemattenmusterung fiel aus.

Beim Anziehen hatten wir sichtlich Schwierigkeiten. Man lehnte sich an oder setzte sich, um in die Hosenbeine zu treffen - zu tauchen. An Deck waren die Strecktaue gespannt. Es kam noch schöner!


Der Schweinebraten zum Mittagessen landete auf unserem Wohndeck. Die Teller rutschten vom Tisch. Was nicht festgehalten wurde war verloren. Backen und Bancken schleuderten von einer Seite auf die Andere. Schreie, Flüche, Palaver!!

Über das Deck sauste eine Balge und zerschlug eine Ducht an Steuerbord. Teller, Tassen, Gabeln....rutschten in den Wassergraben. Unsere Seefüßchen mussten wieder sehr wachsen. Am Abend hatte ich das Gefühl, dass ich vier Beinchen besäße.

Die Wache von 2200 bis 2400 Uhr war natürlich kernig. Die Wellen brachen sich am Bug und hinterließen breite Gischtbahnen.

Donnerstag, den 08.09.1966, In See, Kurs Stavanger

Die See hatte sich etwas beruhigt. Unsere Erfahrungen vom Vortage zahlten sich aus; wir hängten alles unter der Decke fest.

Nach der Morgenmusterung lief für die Backbord II der Morsetest ab. Es war für mich ein glatter Sch... in den Ofen. Doch gab es einen Trost; unsere Korporalschaft wurde die Beste vom Schiff.


An dieser Stelle sei verkündet was bisher unerwähnt blieb: die Kantine führt schon seit den ersten Augusttagen weder Schokolade noch O....dosen; Zigaretten sind rationiert, die Bonbons gibt es nicht mehr... das Sparschiff!

Freitag, den 09.09.1966, In See, Kurs Stavanger, Norwegen

Das Gequassel der guten Kameraden fällt mir oft auf den Wecker; sie zählen Tage und Stunden und erzählen diese Tatsache mindestens zehnmal so vor sich hin....Außerdem fehlt es an Bord nicht an "Latrinenparolen" - Gerüchte über irgendwen oder irgendetwas ( mag es sich um den Wachturn oder den befohlenen Anzug handeln oder um das Bestehen des Lehrgangs...oder...)

Um 0000 Uhr rollten wir wieder aus der Miefrolle. "Kommt hoch Kameraden!" Diese Hundewache wird voraussichtlich die Letzte unter Segeln sein. Wie schon oft, machten wir auch diesmal in der Wache die Royalsegel fest. Es ist jedes mal von neuem ein inneres Fest auf der Rah zu stehen und nach unten zu sehen....

0400 bis 0600 Uhr noch zwei Stunden süßen Schlafes.

Nach dem Reinschiff erklang das Alarmzeichen (Mike) in den Decks. "Mann über Bord!" d. h. wieder Kuttermanöver.

Da wir beim Aufholen des Kutters nicht kräftig an den Kutterläufern genug zurrten, hoffte der BB II. Lt. z. S. Wagenknecht, unsere Kondition durch Segelexerzieren.... während der Mittagspause zu heben.

Es machte nichts desto trotz, Spaß.

Das Wetter war schön. Die See war wieder ruhig. Die Fahrt wurde immer langsamer...... wir standen (in der Seemannausdrucksweise: befanden wir uns in Fahrt).

Um 1700 h startete die große Schau! Zur Volksbelustigung wurden Signalfeuer abgebrannt; rote, blaue....! Ah....Oh....! Den Knalleffekt brachte eine rote Fallschirmrakete. Sie schoss durch die Takelage, jagte fast durch die Großroyal und fiel langsam....rot strahlend....ins Meer.

Die Zeit wurde heute um eine Stunde, auf MEZ, vorgestellt. Es geschah zu der Zeit des Reinschiffs, zu unserer großen Freude.

Hier enden nun die verfügbaren Aufzeichnungen des Logbuches von Krischan. Die "Gorch Fock" hatte Island/Seydisfjördur und den Hurrikan "Faithfull" hinter sich gelassen und befand sich auf Kurs in den Schärengürtel vor Stavanger, um dann, am 11. 9. 1966 in Stavanger einzulaufen.

In der Folge einige Fotos vom Einlaufen in Stavanger am 11. 9. 1966 und vom Einlaufen in Kiel am 20. 9. 1966
Am Horizont: die norwegische Küste mit den vorgelagerten Schären


Fahrt durch den Schärengürtel mit Ziel Hafen von Stavanger


Einlaufen Stavanger


Stavanger


Die mediale Würdigung des Einlaufens der "Gorch Fock" in den Hafen von Stavanger


Stavanger, Wochenmarkt, Landgang


Stavanger, Landgang, Auslaufen am 15. 9. 1966








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